die 20er Jahre

 

In der Bundeszeitschrift Die Pfadfinderin finden die Karlsruherinnen in den 1920er Jahren sehr oft Erwähnung. So berichtet die Jungmaid Annemarie im ersten Heft 1924 vom vorangegangenen „Weihnachtsfest der Karlsruher Pfadfinderinnen“, das am ersten Weihnachtsfeiertag in einem Altersheim stattfindet. Keine Feier der Pfadfinderinnen für sich, sondern Dienst an den andern: Lieder und Gedichte werden vorgetragen und die Weihnachtsgeschichte in Bildern nachgestellt. Die alten Leute bekommen von den Pfadfinderinnen kleine Päckchen mit „Äpfel, Nüsse und Gutsel“ (für Nichtkarlsruher: „Gutsel“ sind Weihnachtsplätzchen). Annemarie schildert diese Erfahrung als „ergreifend“.

In einer badisch dominierten Ausgabe des selben Jahres, die sogar den Untertitel Badenheft trägt, berichten die Maiden Hanni und Gertrud darüber „Wie wir unsere Abzeichen bekamen“.
Mit der Straßenbahn („Bimmelbähnle“) fuhren die Pfadfinderinnen an den Rhein, vermutlich in Richtung Rappenwört.

Das Folgende können wir uns gut vorstellen: Sie wandern den Rheindamm entlang, „futterten die Rucksäcke leichter“ und sind dann gespannt darauf, wer sein Abzeichen als Zeichen der Bewährung in der Gruppe von Hildburg, ihrer Führerin, verliehen bekommt. An dieser Stelle erhält die Erzählung eine für uns eher befremdliche Richtung, denn Hildburg mahnt die jungen Mädchen, „dass wir auch helfen wollten, an einem eigenen, starken Volk; und daß wir hier angesichts unseres deutschen Rheines von neuem geloben wollten, als deutsche Mädels unser Bestes zu tun.“

Die Mädchen am Rheindamm versichern nach ihrer Belehrung feierlich:

Pfadfinderisch zu leben, geloben wir erneut:
treu, rein und gottesfürchtig, und allzeit bereit;
soll niemand bei uns bleiben, der uns nicht artverwandt,
der nicht sein Letztes gäbe für’s deutsche Vaterland!“

Danach ziehen sie singend, stolz die neuen Abzeichen an die Windjacke geheftet, heimwärts.

Im selben Heft berichtet Hildburg, Anni Scheikhardt, in einem 4-seitigen Artikel von „unserem Leben“, dem Leben der Pfadfinderinnen der Burg Karlsruhe.

Von sozialem Engagement erzählt sie:
Annemarie, eine der Maiden, besucht mit einem Korb voller Lebensmittel die Familie Apfel, der Vater „ist erwerbslos, aber fleißig und scheut keine Arbeit“. Annemarie schenkt den Kindern Äpfel und erhält als Dank für die Gaben ein Osterständchen der Kleinen.

Eine Schnitzeljagd wird beschrieben:

Die Gruppe muss Zeichen und Botschaften im Wald finden und „Hasen“ jagen. Das Wetter ist zwar schlecht, aber „die wetterfesten Mädel ziehen den Hut nur tiefer ins Gesicht und bieten dem rauen Gesellen lachend Trotz“ – fast 90 Jahre später funktionieren immer noch die selben Spielideen, irgendwie beruhigend… Auch der Hindernislauf beim „Hüttle“ in Büchenbronn, über das später noch berichtet wird, hat viel von einem Hajkbericht unserer Tage.

Beim Bericht über die „Jungmaidenprüfung“ am Geburtstag von Frau Ute im Dezember erfahren wir, was die Pfadfinderinnen in ihren Gruppenstunden alles gelernt haben: Kartenlesen, Wegzeichen, erste Hilfe, Knoten und natürlich Gesang – die Prüfung ist bestanden, und das Christkind samt Knecht Ruprecht bringt Äpfel und Nüsse.

Unter dem Stichwort „Pfadfindereinladung“ wird es spannend. Hildburg berichtet von festlich dekorierten Tischen. Der Leser wird nicht lange auf die Folter gespannt. Gäste sind nicht etwa die Eltern oder Würdenträger der Stadt, nein, die Einladung gilt den Pfadfindern! „Die Buben mit ihren Führern kommen an, in der Sonntagstracht mit geheimnisvollen Kuchenpaketen“. Es wird musiziert, keine Volkslieder, sondern Mozart, denn dessen Geburtstag wird gedacht. Nach einem gemeinsamen „Komm lieber Mai und mache“ lockt „lieblicher Kwaukwauduft“ und der Kuchen wird verspeist. „Frohe Scherzworte fliegen herüber und hinüber, bald sind alle bei Gesellschaftsspielen vereinigt. Ein Sängerwettstreit zwischen Maiden und Buben beginnt und rasch entfliehen die Stunden. Bei allem Spiel und Frohsinn schwingt als Grundton das Bewusstsein mit, eins zu sein im Streben nach dem Hochziel, Maiden und Buben gelangen zu gegenseitiger Anerkennung und Achtung und darum bilden diese Nachmittage einen wertvollen Teil der Arbeit in Horst und Burg.“

Eine Tradition, die wir nicht mehr pflegen, ist die Sonnwendfeier. Gemeinsam mit der Burg Pforzheim wird ein großes Feuer errichtet, getanzt und gesungen. Die Fahnen werden geweiht und bis in die Nacht hinein sitzen die Mädchen singend und erzählend ums Feuer.

1925 berichtet Hildburg von einer „Winterfahrt“. Es schneit in Karlsruhe und Hildburg fragt provokant „da sollen wir zu Hause bleiben“?
Sie „tippeln […] durch den nassen Schnee dem Bahnhof zu“ mit Rucksack, Stiefeln und Skiern. In Ottenhöfen schnallen sie „die Skier an und steigen langsam aber stetig auf der alten Ruhsteinstraße aufwärts“. Vom Ruhstein aus geht es zum „Jägerhaus“ und obwohl es ein Stückchen bergab geht, wollen die Ski wegen „Pappschnee“ trotz Wachs nicht laufen. Am Jägerhaus angekommen wird erst einmal Kaffee gekocht und die Sachen am Kachelofen getrocknet, die „Förstersmutter“ macht Glühwein. Am nächsten Tag scheint die Sonne, nach ein paar Übungen vor der Hütte folgt der Aufstieg über den Schliffkopfsattel zum Schliffkopf, von dem es nach einem Vesper in zünftiger Abfahrt hinuntergeht, zurück zum Forsthaus. Verweichlichte Stubenhockerinnen waren die Mädchen der Burg Karlsruhe damals wohl keine. Hildburg endet ihren Fahrtenbericht pathetisch:
„Der Skilauf ist wie kein anderer Sport dazu geeignet, die Lebenskräfte zu stärken, denn draußen auf den Höhen im glitzernden Winterwald fällt alles Dumpfe von uns ab, Kraft durchströmt uns, die Backen werden rot und die Augen frisch, und wenn wir einem einsamen Wanderer begegnen, schallts fröhlich herüber und hinüber: Ski-Heil!“

Die Burg Karlsruhe wird damals auch von Hildburg geführt, Frau Ute ist weiterhin Gaugräfin des Südwestgaues, dem nun auch die Burgen in Offenburg, Pforzheim, Mannheim und Singen angehören.

In der Brachert-Ausgabe (Juni) der Pfadfinderin 1925 liest man auf der letzten Seite: „Ab 1. Erntig (August) haben die Älteren der Burg Karlsruhe die Schriftleitung der Pfadfinderin übernommen.“

Die Älteren der Burg Karlsruhe – ohne einen direkten historischen Zusammenhang, so schafft sie dennoch Verbundenheit, diese Formulierung, die auch wir heute gerne benutzen.

Es kann nicht kommentiert werden.